„Was denn, schon wieder ein alter Hund?!
Du bist doch bescheuert, der lebt ja wieder nur so kurz.
Was willst du mit denen, mit denen kann man nicht mehr viel machen und erziehen kann man die auch nicht mehr“ …
Ja, diese Sätze habe ich Anfang April, als Daisy bei mir einzog, wieder häufig gehört. Unverständnis resultierend daraus, dass ich 2009 eine fast blinde, unverträgliche Amstaffhündin aus dem Tierheim adoptierte, die bereits zu diesem Zeitpunkt 9 Jahre alt war. 5 Jahre lebte diese Hündin namens Linda bei mir, bevor ich für immer von ihr Abschied nehmen musste. Während die Mehrheit sich für die Welpen oder die jungen Hunde entscheidet, wähle ich bewusst die Senioren unter den Hunden. Warum ist natürlich eine verständliche Frage und dennoch ist die Antwort so simpel.
Ein alter Hund wird krank, richtig. Ein alter Hund hört nicht immer mehr so gut oder sieht nichts mehr, richtig. Ein alter Hund kann nicht mehr so weit und so lange laufen, richtig.
Aber was ein junger Hund erst versteht, das weiß ein alter Hund bereits.
Ein alter Hund lernt bis zum Schluss – und im Gegenzug bringt er einem Menschen noch soviel mehr bei.
Während andere Menschen an der Pubertät ihres Junghundes verzweifeln, läuft mein Seniorhund völlig abgeklärt und mit sich im Reinen neben mir her. Es reicht ein Blick und wir wissen beide, was wir wollen. Es reicht eine sanfte Berührung, ein leises Wort und ein Lächeln, um einen Seniorhund glücklich zu machen.
Senioren haben etwas ganz Besonderes in ihrem Ausdruck. Jedes einzelne graue Haar erzählt eine Geschichte – es spricht der Charme und die Weisheit daraus und aus diesem Grunde habe ich es bei meiner Linda geliebt, je grauer sie wurde.
Natürlich haben Seniorenhunde ganz andere Bedürfnisse. Da muss man den Hund auch mal die Treppe hoch und runter tragen, an nassen Tagen fällt die Runde noch kürzer aus als sonst, weil hier und da die Athrose zwickt und im Winter wird tatsächlich ein Hundemantel ausgepackt, auch wenn die anderen Hundehalter einen schräg angucken. Natürlich kommt die ein oder andere Tierarztbehandlung dazu und ein Seniorhund kostet auch mal Geld. Aber sind wir nicht froh, wenn wir unseren Hunden etwas Gutes tun können?
Als meine Linda 12 wurde, bekam sie Spondylose und von da an gab es für sie wöchentlich Physiotherapie. Geld hin oder her, bis zum Schluss konnte sie dadurch ein schönes Rentnerleben leben. Wenn meine Hündin gelacht hat, habe ich es auch.
Ein Seniorhund wird nicht nur alt, er wird langsam und obwohl er so will wie früher, geht es manchmal nicht mehr. Man lernt Geduld zu haben und plötzlich schätzt man es beim Spaziergang auch einfach mal für 5-10 Minuten inne zu halten und an der gleichen Stelle zu stehen, eben weil unser Rentner einfach da besonders intensiv schnüffeln und durch die Gegend gucken möchte. Das befreiende Gefühl danach ist unbeschreiblich. Man ist eins mit sich und entspannt vom stressigen Alltag. All das durch die Anwesenheit eines Rentnerhundes.
Ein alter Hund versteht dich genau, er weiß, was dir fehlt und ist immer im richtigen Moment da.
Ja, ein alter Hund kostet Geld, kann keinen Hundesport machen wie ein Jüngerer – und dennoch kann er dein Leben so unglaublich bereichern und dich emotional, sowie charakterlich reifen lassen.
Nach Lindas Tod (sie wurde immerhin fast 14 Jahre alt), stand für mich sofort fest, dass ich wieder einen Seniorhund haben möchte. So trat Daisy in mein Leben, ihres Zeichen eine 10 Jahre alte Staffhündin.
Ja, man hält mich für bescheuert. Aber ich weiß ja, wie die Jahre mit ihr werden. Schön werden sie. Ich zähle schon ihre grauen Haare sie werden einflussreich, abenteuerlich, sie werden prägend sein. Denn niemals geht man so eine innige Bindung ein wie mit einem Seniorhund. Diese Bindung ist etwas ganz Besonderes und jeder, der schon mal einen Senior hatte, weiß, was ich meine. Ich möchte nicht sagen, dass das Zusammenleben mit einem jungen Hund nicht so toll sei, denn auch hier lernt man gemeinsam und wächst zu einem Team. Aber mit einem Senior an der Seite ist es eben … anders … und so vollkommen im Einklang.
Liebe Leute da draussen: wenn ihr euch für einen Hund interessiert, dann schaut nicht nur auf die Jüngeren, seht in die Augen der Senioren und ihr werdet darin erkennen, dass ein Senior auch soviel Freude bereiten kann, wie ein junger Hund.
Und wenn ich ehrlich sein soll: ich finde es gut, wenn meine Rentnerin beschliesst heute mal einen auf „faule Socke“ zu machen, dass sie es mir nicht übel nimmt, wenn die Runden mal kürzer ausfallen aufgrund eines harten Tages (denn die Kuschelstunden bleiben ja ^^) und ich liebe es doch wirklich, dass mein Seniorhund bei Regen ganz deutlich sagt: „Frauchen, wir bleiben liegen. Wir haben doch uns.“
Egal was Andere sagen: ein Leben mit einem alten Hund ist genauso wertvoll wie mit einem jungen Hund und ich möchte diese innige Zeit niemals missen. Abschied zu nehmen fällt immer schwer, aber auch Senioren haben ein schönes Zuhause verdient, in dem sie zum Schluss in Würde gehen können mit dem Wissen, dass sie unendlich geliebt wurden. Als meine Linda sich entschied für immer zu gehen, hatte ich nicht nur Tränen, sondern auch ein Lächeln auf den Lippen. Denn sie hat mir viel hinterlassen: die Fähigkeit geduldig zu sein, ruhiger zu sein, die Fähigkeit über das Altern hinwegzusehen und das Wichtigste: ich bin reifer und abgeklärter geworden. Ohne sie wäre ich immer noch ein Stück weit unreif und ungeduldig; ich würde die wichtigen Dinge im Leben weiterhin übersehen.
Für mich steht fest: einmal Senior, immer Senior!
Wenn ihr das nächste Mal auf Leute trefft, die bevorzugt Seniorenhunde nehmen, behaltet im Hinterkopf, dass dies alles einen guten Grund hat
Liebe Grüße Angi M.